Eher unfreiwillig wurden zu Beginn der COVID-19-Pandemie viele Abläufe aus den Unternehmen heraus ins Homeoffice oder hin zu mobilen Arbeitsplätzen verlagert. Gleichzeitig mit der Zunahme verteilter Arbeitsformen über die Distanz und dem enormen Mangel an Arbeitskräften haben die meisten Unternehmen seitdem mit Remotearbeit experimentiert. Viele Startups werden inzwischen als „Fully-Remote“ Unternehmen aufgebaut. Mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen: von großer Begeisterung bis hin zu herber Enttäuschung ist die Bandbreite groß. Es zeigt sich, dass es sehr darauf ankommt, alle relevanten Mechanismen der Zusammenarbeit zu verstehen und zu berücksichtigen.
Was noch vor fünf Jahren undenkbar war, hat sich in unserem Arbeitsalltag quasi über Nacht fest etabliert: Die Flexibilisierung von Arbeitsorten und Arbeitszeiten schreitet stetig voran. Dabei haben wir gelernt, dass es durchaus zu einem besseren Ergebnis führen kann, wenn wir individuelle Eigenschaften der Einzelnen stärker berücksichtigen. Und viele Arbeitende haben sich so sehr an das Arbeiten von zu Hause gewöhnt, dass sie dies nach dem Ende der Pandemie oftmals vehement eingefordert haben.
Sind Startups klar im Vorteil?
So manches neu gegründete Unternehmen hatte im Zuge der Schwierigkeiten, Mitarbeitende zu rekrutieren die Idee, aus der Not eine Tugend zu machen: Es stellte sich „Fully-Remote“ oder zumindest „Remote-First“ auf. Alle Strukturen rund um Abläufe und Kommunikation wurden mit digitalen Tools dergestalt umgesetzt, dass eine physische Präsenz nicht mehr erforderlich ist oder nur noch selten wahrgenommen werden muss. Es liegt nahe, dass sich digitale oder kommunikative Tätigkeiten dafür besonders eigenen, also überall dort, wo vor allem am PC oder Telefon gearbeitet wird.
Wer digital gründet, dem sollte klar sein, dass deutlich mehr Augenmerk auf Zusammenstellung, Aufbau und vor allem Zusammenhalt des Teams gelegt werden muss, als es in traditionellen Organisationen der Fall ist. In der Anfangsphase ist eine engmaschige Abstimmung nötig, um alle Teammitglieder mitzunehmen und sicherzustellen, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Wenn dann das Team gut zusammenpasst und vor allem bestens eingespielt ist, sind digitale Unternehmen in Sachen Unternehmensentwicklung, Innovation und Wachstum klassischen Organisationsformen häufig überlegen.
Da jedoch die Unternehmenskultur auch bei Remote-Unternehmen Dreh- und Angelpunkt für langfristigen Erfolg ist, muss die fehlende physische „Homebase“ durch Gemeinschaftsstrukturen und gemeinsame Werte ersetzt werden. Das ist nicht immer einfach, weshalb es auch in vielen digitalen Startups über die verteilten Arbeitsplätze hinaus eine kleinere zentrale gemeinsame Bürofläche gibt, die für physische Treffen und Begegnung genutzt wird.
Welche Tools werden benötigt?
Wer einen erfolgreichen Remote Aufbau als Ziel hat, sollte neben der richtigen internen Organisation vor allem die passenden Tools finden und einsetzen. Letztendlich bilden diese das funktionale und kommunikative Gerüst des neuen Unternehmens und sind besonders wichtig. Das können zum Beispiel tägliche Teambesprechungen sein aber auch die Nutzung von Tools wie Notion, Slack und Teams. Diese helfen dabei, in Kontakt zu bleiben, selbst wenn alle Mitarbeitenden in verschiedenen Ländern sitzen. Bei Remote-First-Unternehmen sind diese Tools für digitale Zusammenarbeit sowie der gesamte „Productivity-Stack“ jedes Einzelnen maßgeblich für Erfolg und Entwicklung.
Vieles ist dabei nicht aus dem Stand festzulegen, da sich Prozesse ja erst nach und nach etablieren. Entsprechend muss dabei erst einmal ausprobiert werden, welche Tools für die konkrete Anwendung gut nutzbar sind. Es ist also keine Seltenheit, dass in der ersten Zeit Tools durch andere abgelöst werden und gegebenenfalls auch Inhalte übertragen werden müssen. Letztendlich ist dies sogar wünschenswert: Viel schlimmer wäre es, auf ungeeigneten Entscheidungen zu bestehen. Der Grundsatz „Fail fast and learn fast“ bringt es mit sich, dass es durchaus von vorteilhaft ist, anstelle einer umständlichen und langsamen Entscheidung einfach zu auszuprobieren und die Erfahrungen in das weitere Vorgehen einzubringen.
Remote-Work als Transformations-Booster
Bei traditionell organisierten Unternehmen sieht die Situation etwas anders aus. Als erstes ist es ein großer Vorteil, dass Traditionen, Unternehmenskultur, Werte und Abläufe bereits vorliegen. Wenn sich am Geschäftsmodell nichts ändern muss und sich Prozesse digital abwickeln lassen, ist eine Verlagerung oftmals leicht möglich. Vor allem Großunternehmen nutzen dies bereits seit langem und haben auch vor COVID-19 damit begonnen, Arbeitsplätze zu dezentralisieren.
Stehen Unternehmen und Geschäftsmodell allerdings vor einem intensiven Wandel, erfordert der Abschied vom Büro deutlich mehr Mühe. Remote-Work kann allerdings – geschickt eingesetzt – eine tragende Rolle übernehmen, damit die eigene Wertschöpfungsstruktur umfassend verändert wird. Müssen Abläufe eh neu gedacht werden, so können diese bei gleichzeitig komplett neu aufgestellt werden. In diesem Zuge versucht so manches Unternehmen, eine Runderneuerung gesamten Aufstellung als Nebeneffekt der Einführung von Remote-Arbeit zu erreichen.
Was spricht gegen Remote-Work?
Allerdings bringt diese neue Welt der Distanz-Arbeit neben hoher Flexibilität auch einige Schattenseiten mit sich: Die enorme Abhängigkeit von digitalen Tools bewirkt neben Kosten der meist Cloud-basierten Lösungen eine enorme Abhängigkeit, fehlen doch wirkliche Alternativen, die einen Plattformwechsel möglich machen würden.
Je mehr Software-Komplexität durch den Cloud-Anbieter abgenommen wird, um so weniger beschäftigen sich die Nutzenden mit zentralen Fragen wie Datensicherheit, Backup und vor allem der Migration auf alternative Plattformen. Da jedoch oftmals ein großer Teil der wertvollen Informationen und lebenswichtigen Abläufen des Unternehmens in diesen Systemen liegen, sind diese den Plattform-Anbietern weitestgehend ausgeliefert. Zudem führt die große Vielfalt der Plattformen nicht selten dazu, dass die erforderliche Sorgfalt zur Absicherung fehlt. Vertrauliche Informationen geraten aus diesem Grund allzu oft in falsche Hände oder gehen ganz verloren.
Aber auch für Mitarbeiter*innen gibt es Nachteile: Es besteht die Gefahr, dass der Anschluss an das Unternehmensgeschehen, also beispielsweise Informationen über Entscheidungen oder Veranstaltungen verloren werden. Die Integration neuer Teammitglieder wird sehr viel schwerer und ein wirkliches Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen kommt oft gar nicht erst auf.
Viele Aufgaben und Projekte dauern deutlich länger, als dies im Office der Fall wäre, da der Austausch von Nachrichten und die Zusammenarbeit remote mehr Zeit benötigen. Sofern dann noch in unterschiedlichen Zeitzonen gearbeitet wird, sind Zusammenarbeit im Team und die entsprechenden Arbeitsabläufe zusätzlich erschwert.
Herausforderung Führen über die Distanz
Auch wenn aus Sicht der Mitarbeiter*innen vieles für Remote-Arbeit spricht, sind Führungskräfte häufig überfordert, aus der Ferne ausreichenden Kontakt zu halten. Studien zufolge sind die Auswirkungen auf Faktoren wie Mitarbeiterbindung, Gesundheitsmanagement und das Vertrauen in den Arbeitgeber oft erheblich. In Konsequenz muss seitens der Führenden eine Verlagerung von Performance-orientierter Führung und Leistungsmessung hin zu vertrauensbasierter Führung erfolgen. Allerdings sind viele Unternehmen und auch Beschäftigte auf diese Art von Leadership bislang nur wenig vorbereitet. Als Folge fühlen sich viele Führungskräfte in Remote-Organisationen erschöpft und ihrer Aufgabe nur unzureichend gewachsen.
Auch wenn dies zu Beginn der Pandemie befürchtet wurde: Die Produktivität hat tendenziell eher gewonnen, ein Rückgang von Arbeitsergebnissen durch Ablenkung und Verlockung durch Freizeittätigkeiten blieb entgegen allen Befürchtungen zumindest insgesamt aus. Da jedoch Arbeit und Privatleben nicht immer strikt getrennt werden können, sind Überstunden zu Hause häufiger als im Büro. Es zeigt sich, dass hier noch Verbesserungen möglich sind.
Haben auch Sie Erfahrungen in Ihrem Unternehmen mit Remote-Arbeit? Wie ist der Status und wo liegen die akuten Handlungsfelder? Gerne unterstützen wir Sie pragmatisch und fundiert in allen Belangen rund um eine effektive Remote-Organisation. Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt zu uns auf.
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