KI in Startups: Wo lohnt sich der Einsatz?

13.06.2023

Die rasante Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz (KI) in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass kaum ein Unternehmen mehr ohne diese neue Technologie auszukommen scheint. Sowohl etablierte Unternehmen aber auch Startups loten im Moment gerade aus, welche Anwendungen möglich sind und was Sinn macht. Dabei gibt es viele Nutzungsszenarien: Automatisierung von Prozessen, die Erstellung verbesserter Prognosen, Unterstützung des Wissensmanagements, Bilderkennung oder auch der Umgang mit gesprochenen oder geschriebenen Texten.

Über die reine Anwendbarkeit hinaus ist es für die meisten Unternehmen aktuell schwer einzuschätzen, welche Investitionen sich wirklich auszahlen werden und welche nicht. Für Startups ist das besonders bedeutsam, denn ohne Einzahlung auf das Geschäftsmodell macht KI angesichts des hohen Aufwandes wenig Sinn. Hinzu kommt, dass mangelnde Erfahrung in jungen Unternehmen die Beurteilung von Chancen und Risiken oftmals besonders schwer macht. Vor der Auswahl konkreter KI-Modelle und Verfahren sollte deshalb eine detaillierte Analyse der möglichen Ergebnisse vorgenommen werden.

Nur echter Mehrwert zählt

Viele der aktuell begeistert vorgestellten Anwendungen wirken zwar auf den ersten Blick „nice to have“, bringen aber weder bahnbrechende Vorteile für die Kunden, noch lösen sie auf Seiten des Unternehmens vorhandene Probleme. Auf der anderen Seite ist die Implementierung mit erheblichen Investitionen verbunden, so dass eigentlich handfeste Ergebnisse vorliegen müssten, um diese zu rechtfertigen. Idealerweise existieren also bereits Probleme auf Kundenseite, die gelöst werden. Mindestens jedoch sollten Effizienz oder Innovationskraft nachhaltig verbessert werden. Das kann bei der Digitalisierung von Produkten und Absatzkanälen der Fall sein und beeinflusst vor allem signifikant bestehende Prozesse, die sich konkret auf Kosten, Umsatzströme oder Ressourcenverbrauch auswirken. Diese können beispielsweise arbeitsintensive textorientierte Tätigkeiten, umfassendes Scannen oder Erfassen von Bildern, großen Mengen gesprochener Texte oder Prognosen über bestimmte relevante Einflussfaktoren wie Kundenverhalten oder Branchenumfeld sein.

So begeisternd die Thematik sein mag: Zu euphorisch sollte hier nicht vorgegangen werden, denn es wird in vielen Fällen trotz KI-Einsatz zwingend erforderlich sein, die Ergebnisse durch menschliche Arbeitskraft zu überprüfen oder aktiv auf Warnungen zu reagieren. Wer von der zu lösenden Aufgabe ausgeht, wird diese auch stets vor Augen haben und nicht einen Schwerpunkt auf das schicke Projekt an sich legen. Darüber hinaus sind kleinere Aufgaben häufig für den Anfang deutlich besser geeignet als die Reise zum Mond.

Ohne Daten und Systeme keine KI

In ihrer großen Vielfalt haben alle KI-Werkzeuge eines gemeinsam: Sie basieren auf algorithmisch verarbeiteten Daten und häufig ist eine gigantische Menge an Daten erforderlich, um den gewünschten Nutzen zu erreichen. Häufig reichen die eigenen Daten also nicht aus, so dass externe Quellen zusätzlich mit einbezogen werden müssen. Aber auch die Nutzung der eigenen Daten muss rechtlich uneingeschränkt möglich sein, was nach aktuellen Datenschutzgesetzen nicht immer einfach ist. Häufig wird nicht beachtet, dass die Zusammenführung von Daten in einem KI-Modell nicht bereits per se einsetzbare Ergebnisse hervorbringt. Nicht umsonst ist die Auswertung von KI-generierten Daten eine eigene Disziplin (Data Scientists oder Data Analysts), die mit dem vorgelagerten Zusammentragen und Verknüpfen der Daten recht wenig zu tun hat.

Sowohl für den Weg Ihrer Daten in die KI-Modelle aber auch den Weg zurück in Ihre Systeme benötigen Sie weitere IT-Experten im Unternehmen, die sich auch mit der neuen Welt auskennen. Und das ist oft nicht der Fall, da aktuelle KI-Programmiersprachen wie Python in der klassischen Unternehmenswelt bislang noch wenig zu finden sind. Startups, die ihren Technology-Stack komplett neu zusammenstellen haben den Vorteil, dass sie ihre eigenen Anwendungen an diesen neuen Plattformen ausrichten können und damit eine einfachere Integration möglich ist.

Welche Aufgaben sich wirklich eignen

Zugegeben: Es gibt Aufgaben, in denen etwa Generative KI (z.B. ChatGPT) erschreckend gut geeignet ist und damit erhebliche Vorteile bietet. Prozesse können in manchen Fällen in einem Bruchteil der bisherigen Zeit umgesetzt werden und so mancher sieht schon ganze Berufsgruppen als vom Aussterben bedroht. Was allerdings auch auffällt, ist die Tatsache, dass exakt die gleichen Werkzeuge oftmals für minimal veränderte Aufgabenstellungen ziemlich enttäuschende Ergebnisse liefern. Ein Teil davon wird sicherlich mit Weiterentwicklung der Modelle und deren Training besser werden. Allerdings basieren gegenwärtige KI-Modelle in der Regel auf statistischen Methoden und bringen deshalb per Definition immer nur ein mehr oder weniger wahrscheinlich gutes Ergebnis. Wer jedoch maximale Genauigkeit benötigt, kann diese also oftmals nicht verwenden.

Startups basieren nicht selten auf der Übertragung einer in einem Bereich gut funktionierenden Idee auf einen neuen Anwendung oder in andere Bereiche. Wenn beispielsweise im Bereich großer Mengen von Finanzdaten mithilfe von KI eine gute Analyse von Verstößen gegen geltende Regeln möglich ist, so lässt sich dieses Modell nicht unbedingt auf andere Bereiche, etwa auf die Einhaltung allgemeiner Compliance-Regeln übertragen. Es sollte also zunächst grundsätzlich geschaut werden, wie die Prozesse aussehen und ob die erforderlichen Daten überhaupt generiert werden können.

Welche Fähigkeiten Voraussetzung sind

In den seltensten Fällen wird das genutzte KI-Modell einmal implementiert und kann dann langfristig unverändert genutzt werden. Üblicherweise ändern sich die Prozesse kontinuierlich und damit die zugrundliegenden Daten. Oder es kommen neue Daten hinzu, die zusätzlich integriert werden sollen. Letztendlich bedeutet dies, dass im Grunde eine permanente Optimierung des KI-Modells erforderlich ist. Um dies zu gewährleisten, muss entsprechendes Fachpersonal intern oder extern verfügbar sein. Insbesondere in Startups dürfte es angesichts der Bindung und des Aufbaus von Knowhow im Unternehmen sinnvoll sein, diese Skills sofern möglich selbst aufzubauen. Spätestens sollte dies dann der Fall sein, wenn aus ersten experimentellen Versuchen richtiges Geschäft werden soll.

Für alle Faktoren, die den Aufwand der KI-Implementierung beeinflussen, sollte eine sorgfältige Abwägung von Kosten und Nutzen erfolgen. Leider ist die KI in der Praxis selten in der Lage, die vorhandenen Kosten unmittelbar zu senken oder den Bedarf an kostspieliger menschlicher Arbeit zu verringern. Leichter gelingt es, vorhandene Prozesse in einzelnen Teilen zu verbessern, etwa mit Bilderkennung oder hochwertiger Sprachverarbeitung. Wer also für tausende täglich eingehenden E-Mails eine intelligente Vorsortierung und Kanalisierung erreichen will, wird dies deutlich einfacher realisieren können, als etwa den Ersatz von wirklich kreativen oder menschlich-kommunikativen Tätigkeiten im Unternehmen.

Genau diese erforderliche Konzentration auf kompakte Teiltätigkeiten macht die Anwendung von KI für Startups attraktiv, da im Idealfall ein überschaubares Feld ohne Beachtung der komplexen Strukturen und Anforderungen bearbeitet werden kann. Wem es gelingt, hier wirklichen Kundennutzen zu erzielen, etwa durch Optimierung der mühsamen Arbeit von Routineprozessen, der dürfte diese Geschäftsidee auch mit gutem Erfolg in etablierten Unternehmen umsetzen können. Und diese in die Welt der neuen Möglichkeiten begleiten können.

 

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