Open-Source in Tech Startups: So nützlich sind quelloffene Plattformen

13.01.2023

Der inzwischen alle Bereiche unseres Lebens erfasste Siegeszug der Internet-Technologie ist eng verknüpft mit der intensiven Nutzung frei verfügbarer Software. Die meisten Internet-Dienste wurden als Open-Source-Software (OSS) entwickelt, mit dem Ergebnis, dass neben der offenen Verfügbarkeit der Quelltexte auch eine mehr oder weniger freie Verwendung möglich ist. Wer heute ein digitales Startup gründet, sieht sich rasch der Frage ausgesetzt, ob und wie er auf öffentlich nutzbare Technologie setzen möchte und was dies bedeutet.

Auf den ersten Blick scheint es verlockend: Lizenzfrei und von einer großen öffentlichen Community entwickelt und aktuell gehalten entsprechen Open-Source Projekte dem Bild, wie viele von uns das Internet kennengelernt haben: Innovativ, unbegrenzt und weitestgehend kostenfrei. Aufgrund der großen Zahl von Mitwirkenden wird der Lebenszyklus der Entwicklung kürzer und das entstandene Produkt enthält weniger Mängel und Schwachstellen.

Vorteile der Anwendernutzung

Viele Nutzer sind sich dessen nicht bewusst, dass sie bereits tagtäglich intensiv auf Open-Source Plattformen zugreifen. Handys, Webserver, Internetbrowser, Elektroautos, Online-Shops, Redaktionssysteme, Programmiersprachen oder Datenbanken: Die Liste der marktführenden Anwendungen ist lang. Oft stehen hinter diesen Plattformen mehrere einzelne Open-Source Projekte.

Auch wenn es durchaus kritische Stimmen gibt, die als Argument die fehlende Verantwortlichkeit eines Unternehmens für die Sicherheit und den Bestand der Software anführen, so zeigen Studien, dass dies nicht der Fall ist. Allerdings kommt es durchaus vor, dass eine Plattform nicht mehr als Open-Source weiterentwickelt wird, weil die Entwickler aus unterschiedlichen Gründen künftig ein kommerzielles Produkt entwickeln möchten. Das betrifft zwar nicht die bereits lizenzierte Version, ohne Updates sind jedoch Anwendungen meist nicht zu nutzen. Allerdings entstehen meist in kürzester Zeit alternative Weiterentwicklungen auf Basis der bestehenden Plattform, da viele Entwickler der Community diesem Grundgedanken weiter folgen möchten. Geht es um die reine Eigennutzung als Anwender ist die kommerzielle Nutzung von Open-Source Software üblicherweise kein Problem.

Möglichkeiten als Bestandteil eigener Produkte

Insbesondere Tech Startups stehen häufig vor der Aufgabe, eigene Software-Plattformen zu entwickeln. Hierfür werden die wenigsten ohne eine Handvoll von Programmen auskommen, also Datenbank, Betriebssystem, Webserver, Programmiersprache, Bibliotheken und vieles mehr. Wer an den Komponenten Veränderungen vornehmen oder ein daraus zusammengestelltes Produkt verbreiten möchte, kommt nicht umhin, sich dezidiert mit den Lizenzbedingungen jeder einzelnen Komponente auseinanderzusetzen. Da kann dann durchaus eine zweistellige Anzahl von einzelnen Elementen zusammenkommen.

Zu den Lizenzen, unter denen Open-Source und freie Software veröffentlicht werden, zählen beispielsweise die Apache-Lizenz, BSD-Lizenz, GNU General Public License (GPL), GNU Lesser General Public License (LGPL), MIT-Lizenz, Eclipse Public License und Mozilla Public License. Häufig gibt es darüber hinaus noch Versionen der einzelnen Lizenzen, die unterschiedliche Rechte einräumen. Diese finden sich in den Lizenzbedingungen und umfassen meist auch damit einhergehende Verpflichtungen wie ein Verweis auf die Lizenz des Ursprungsproduktes oder gar eine Lizenzierung des eigenen Produkts unter der gleichen Bedingung.

Was bedeutet das konkret?

Schon mit Beginn der Auswahl verwendeter Bestandteile für das eigene Produkt sollten neben der technischen Eignung und Qualität sowie der technologischen Perspektive die Lizenzbedingungen aller einzelnen Komponenten berücksichtigt werden. Das bedeutet systematische Erfassung und inhaltliche Abstimmung der sich daraus ergebenden Pflichten. Gelegentlich hat dies dann auch Rückwirkungen auf die Architektur des eigenen Produkts, etwa wenn ein Zweig der kommerziellen Entwicklung wiederum frei zur Verfügung gestellt wird. Generell sollten bei der Verwendung von fremdem „Intellectual Property“ stets Überblick und Klarheit über die rechtliche Situation herrschen.

Viele Startups etwa aus dem universitären Bereich vernachlässigen diese lästige Frage bei der initialen Entwicklung, was dann im schlimmsten Fall dazu führt, dass Teile komplett neu entwickelt werden müssen. Auch wenn manche Lizenzbedingungen wenig Rechte vorsehen, weshalb die jeweilige Komponente eigentlich nicht gut genutzt werden kann, so finden sich meist parallel dazu ähnliche Plattformen, die eine freie kommerzielle Verwendung möglich machen. Neben Software gibt es in geringerem Umfang auch in anderen Bereichen frei nutzbare Werke, unter dem Begriff „Free Culture“ etwa Bilder, Technologien, künstlerische Werke und vieles mehr.

Oft unverzichtbar, vorteilhaft und anspruchsvoll

Zusammenfassend sollte zunächst die Sorge genommen werden, dass das ganze ohne Hilfe eines Rechtsanwaltes nicht handhabbar ist. Mit ein wenig Mühe ist es möglich, auch als Tech-Startup hier einen „sauberen Tisch“ zu erreichen. Hinzu kommt, dass es in vielen Bereichen alternativlos ist, da heutige Produkte ja meist auf umfassende Vorprodukte angewiesen sind. Dafür sind zeitgemäße Anwendungen viel zu komplex, als dass sich dies komplett in Eigenregie umsetzen ließe.

Ein guter Start ist zunächst eine tabellarische Sammlung aller genutzten Komponenten und dann die Zusammenstellung der textuellen Bedingungen in einem zentralen Dateiverzeichnis. Beispiele finden sich mit etwas Geschick zahlreich im Web, wobei immer wichtig ist, dass auch berücksichtigt ist, was daraus an Pflichten entsteht und wie diese erfüllt werden sollen. Wenn Sie dann zu dem Schluss kommen: „Lästig aber beherrschbar“, dann haben Sie alles richtig gemacht!