Künstliche Intelligenz: Fluch oder Segen?

2.02.2023

Viele der aktuell entstehenden Startups integrieren in ihren Technologie-Stack Werkzeuge aus dem KI-Bereich. Vor allem das gegenwärtig frei zugängliche Sprachmodell ChatGPT zeigt gut auf, mit welchen Veränderungen wir in einigen Bereichen unseres Lebens rechnen müssen. Da Startups entweder von Strukturveränderungen profitieren oder diese bewirken, tun Gründerinnen und Gründer gut daran, die Möglichkeiten und Grenzen realistisch einzuschätzen.

Derzeit ist es nicht leicht, Kommentierungen und Beschreibungen rund um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) aus dem Weg zu gehen. Manche Branchen hat eine Art Goldrausch erfasst und insbesondere für junge Unternehmen gilt es, hierzu eine angemessene Meinung zu haben sowie Chancen geeignet zu ergreifen, sofern es denn Sinn macht. Denn ohne das Verständnis, was KI überhaupt leisten kann, dürfte das Risiko von Fehleinschätzungen groß sein. Ob die kürzlich zugänglich gemachten Sprachmodelle nun wirklich der vielzitierte Quantensprung sind, sei dahingestellt. Dennoch hält die Nutzung dieser Werkzeuge nach und nach Einzug in unser Leben und es gelingt uns immer besser, die Potenziale zu erkennen.

Technik einfach erklärt: Was ist KI?

Die derzeit verfügbaren KI-Techniken versuchen, menschenähnliche Intelligenz nachzubilden. Das ist angesichts der Komplexität des Gehirns allerdings nur näherungsweise möglich. Allerdings wachsen die Kapazitäten verfügbarer Server inzwischen so sehr, dass es durchaus möglich ist, unvorstellbar viele Informationen miteinander zu verknüpfen. Genau diese Verknüpfung wird also programmiert, häufig im Gegensatz zu einem klassischen Programm, so dass die Maschine flexibel selber lernen kann. Dies wird dann meist als neuronales Netz bezeichnet. Damit soll ein intelligentes Verhalten nachgeahmt werden. Für dieses Lernen gibt es in der KI unterschiedliche Wege, die jeweils eigenständig oder beaufsichtigt erfolgen. Eigentlich läuft im Hintergrund eine Statistiksoftware, die mathematisch errechnet, welches Ergebnis eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweist, irgendwie sinnvoll zu sein. Ein Beispiel für ein solches hochkomplexes System ist etwa Open AI, welches teilweise frei verfügbar ist. Nutzen kann man dies für sehr unterschiedliche Dinge, also möglichst sinnvolle Texte schreiben, geeignete Bilder malen, wahrscheinlich funktionierende Softwarefunktionen erstellen und einiges mehr. Klar: Je mehr wir das System trainieren, desto häufiger entstehen sinnvolle Ergebnisse.

Der Erfolg hängt vom Training ab

Ähnlich wie im Sport reicht es nicht, theoretisch ein gutes Mindset zu haben: Ohne Training funktioniert nichts. Auf Basis von OpenAI gibt es beispielsweise das lernende „Sprachmodell“ GPT-3, welches auf etwa 175 Milliarden Synapsen basiert und in der Lage ist, Text in gewissem Grade zu verstehen und neue Texte zu generieren. Trainiert wurde es durch frei verfügbare Informationen im Internet, wobei die Kosten für ein solches Training im Millionenbereich liegen.

Ebenso gibt es als Variante von GPT-3 ein Programm, welches auf der Basis von 3,5 Mrd. Parametern in der Lage ist, nach bestimmten Vorgaben Bilder zu zeichnen. Das Ergebnis ist auf den ersten Blick beeindruckend, ähnlich wie generierte Texte oder Programmiercode, die meist tatsächlich „brauchbar“ sind. Allerdings ist in der aktuellen Form niemals nachvollziehbar, woher das jeweilige verknüpfte Wissenselement stammt und vor allem welche Verknüpfungen erfolgt sind. Ein solches System liefert also gute Zusammenfassungen von Texten, die irgendwo bereits erschienen sind. Wer also etwa den ärztlichen Rat durch ein solches System ersetzen möchte, muss sich dessen stets bewusst sein, dass eine inhaltliche Bewertung nicht erfolgt. Auch ein Schüler, der eine Hausarbeit von Chat-GPT-3 schreiben lässt, tut gut daran, das Ganze noch einmal zu überprüfen.

Auch wenn die Ergebnisse beeindrucken, liegen die Nachteile auf der Hand: GPT-3 denkt sich Informationen aus, die zum erfragten Muster passen. Das können auch Schimpfwörter oder falsche Informationen sein. Bei längeren Texten kommt hinzu, dass das Modell dieselben Inhalte stetig wiederholt. Ebenso entstehen in der Praxis auch diskriminierende Inhalte, so dass durch GPT-3 erzeugte Inhalte auf keinen Fall ohne Lektorat und Faktencheck veröffentlicht werden können.

Betrieb und Training von Modellen wie GPT-3 ist zudem sehr ressourcenintensiv und damit teuer. Aus diesem Grund hat OpenAI bereits damit begonnen, einen Teil der Schnittstelle kostenpflichtig zu machen.

Was bringt es für mein eigenes Business?

Erstmal ist davon auszugehen, dass es schnell in vertraute Produkte wie Microsoft Word Einzug halten wird. Etwa kann es zur stilistischen Überarbeitung eines eigenen Textes genutzt werden oder hinsichtlich der eigenen Kreativität inspirierend wirken.

Überall dort, wo es nicht auf hundertprozentige Richtigkeit oder perfekte Qualität ankommt, kann KI viele Aufgaben abnehmen. Damit wird es mit großer Sicherheit auch unseren alltäglichen Bereich vordringen, vielleicht beim Smalltalk für einsam lebende ältere Menschen. Es benötigt nicht viel Phantasie, dass auch eine natürlichsprachliche Unterhaltung möglich ist.

Abgesehen von der Anwendung im Alltag ist es derzeit für jedes Unternehmen und vor allem für neue Geschäftsmodelle ratsam, Schnittmengen mit den Möglichkeiten der KI zu identifizieren. Das kann einerseits erfolgen, um Produktivitätspotenziale zu erschließen, andererseits um am allgemeinen Strukturwandel durch diese Technologie zu partizipieren.

Wo wird es sich besonders durchsetzen?

Immer wenn in der Vergangenheit neue Werkzeuge verfügbar wurden, haben sich Wirtschaftsstrukturen verändert. Genau dort, wo Tätigkeitsfelder bestehen, die automatisiert auf Basis der neuen Werkzeuge deutlich effizienter durchgeführt werden können, wird dies auch erfolgen. Das Gute an dem jetzt möglichen Ausprobieren etwa bei Open AI ist, dass jeder für sich herausfinden kann, wie sich diese Technologie „anfühlt“. Texte mit nicht viel Anspruch werden künftig sicherlich elektronisch vorgefertigt werden. Kaum jemand, der beruflich Übersetzungen erstellt, verzichtet heutzutage auf eine Rohübersetzung mit KI Tools wie DeepL oder Google Translate. Entsprechend werden auch Tätigkeiten mit vielen repetitiven Elementen überflüssig und das quer durch alle Bereiche.

Andererseits werden auf Basis dieser Werkzeuge neue Wertschöpfungsmöglichkeiten entstehen, und zwar sowohl als neue Produkte aber auch als Element bestehender Strukturen. Für Startups heißt dies: Chancen erkennen und wo möglich nutzen. Auch wenn dafür programmiert werden muss, verfügen die Werkzeuge inzwischen über gut dokumentierte Schnittstellen, die komfortabel angesprochen und genutzt werden können.

Wann kommen die Cyborgs unter uns?

Auch wenn uns KI Werkzeuge verstärkt begleiten werden, so bedeutet dies nicht, dass alles miteinander so verschwimmt, dass eine Unterscheidung zwischen echt und künstlich nicht mehr möglich sein wird. Es ist völlig klar, dass sich mit der Benutzung auch unsere Fähigkeit weiterentwickeln wird, diese Dinge zu erkennen oder für die Erkennung Hilfsmittel zu entwickeln. Das betrifft den Lehrkräfte beim Deutschaufsatz ebenso wie die Beurteilung von Kunstwerken, Programmiercode und vieles mehr. Vermutlich wird es für uns weit weniger bedrohlich sein, als es gegenwärtig vielfach befürchtet wird. Und über die bessere Produktivität sollten wir uns freuen, denn genau deshalb haben wir diese Technik ja entwickelt!