Geschäftsmodell: Problemlösung oder Marktchancen?

12.02.2024

Ein gut funktionierendes Geschäftsmodell ist der Kern jedes erfolgreichen Unternehmens, und entscheidet wesentlich über die Entwicklung jedes neu gegründeten Startups. Es stellt sich die Frage, ob es empfehlenswert ist, sich frühzeitig auf die Analyse von Marktlücken zu konzentrieren oder lieber die Lösung eines Kundenproblems Ausgangspunkt sein sollte. Eine einfache Antwort lässt sich auf diese Frage nicht liefern, lassen sich doch Beispiele erfolgreicher Unternehmen nach beiden Vorgehensweisen aufzeigen.

Geniale Idee oder lukrative Nische?

Wer bei seiner Suche vor allem davon ausgeht, wo am meisten und am sichersten Geld verdient werden kann, geht das Risiko ein, wenig wirklich Neues und Bahnbrechendes zu schaffen, sondern setzt auf bestehende Märkte, Strukturen und Funktionalitäten, um diese mit anderem Bestehenden zu kombinieren. Häufig wird dieser Weg von etablierten Unternehmen beschritten, das diese bereits auf bestehenden Märkten aktiv sind und hier über vorhandene Kundenbeziehungen verfügen. Wenn also eine Bank in den Versicherungsmarkt einsteigt, ist das nicht wirklich spektakulär, sondern meist das Ergebnis einer nüchternen Analyse. Junge Unternehmen haben allerdings den Nachteil, dass sie üblicherweise aus dem Unbekannten heraus agieren, und somit zunächst ausreichende Bekanntheit und lukrative Kundenbeziehungen aufbauen müssen.

Viele spannende Startups haben einen anderen Weg gewählt: Ausgangspunkt allen Handelns ist die Frage, wo es ungelöste Kundenbedürfnisse gibt. Oftmals mutet deren Erfüllung zur Zeit der Unternehmensgründung visionär an. Wenn sich ein Teil der Menschen schon immer gewünscht hat, auf den Mond zu reisen, könnte dies ein Bedarf sein, der mit einer neuen Idee und viel Fleiß erfüllt werden könnte. Aber auch jenseits von Extremen gibt es viele inzwischen erfolgreiche Unternehmen, die zu ihrer Zeit belächelt wurden, als sie ihre Produktidee erstmals vorgestellt haben. Eine bedienungsfreundliche Bank in der Hosentasche? Echtzeitkommunikation auf dem Handy? Einkaufen per Knopfdruck? Eine zentrale Übersicht all meiner Gesundheitsdaten? Ein Auto, welches mir sagt, wohin ich fahren soll oder welches eigenständig zum Ziel fährt? Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Wirklich bahnbrechende Geschäftsmodelle

Die perfekte Lösung eines Kundenproblems steht oftmals im Zentrum als bahnbrechend zu bezeichnender Geschäftsmodelle. Wird als direkter Ausgangspunkt ein Kundenproblem gewählt, können Produkte oder eine Dienstleistungen entwickelt werden, die echte Mehrwerte bieten. Unternehmen wie Uber oder Airbnb haben genau hier angesetzt: Sie haben alltägliche Probleme ausgewählt und Lösungen geschaffen, die nicht nur die Art und Weise, wie wir reisen und wohnen, revolutionierten, sondern auch ganze Industrien umgestalteten.

Allerdings ist dieser Ansatz nicht frei von Tücken: Kundenbedürfnisse können sich schnell wandeln, und was heute als dringliches Problem wahrgenommen wird, kann morgen schon irrelevant sein. Ebenso könnte eine zu enge Fokussierung auf ein einzelnes Problem dazu führen, dass man sich blind macht für größere Marktverschiebungen oder technologische Sprünge. Bei aller Begeisterung darf nicht vergessen werden, dass abseits der bekannten erfolgreichen Gründungen ein Vielfaches an ähnlich visionären Gründern Unternehmen gegründet hat, von denen heute niemand mehr redet.

Allzu häufig wird ein visionäres Unternehmen tragischerweise erst dann erfolgreich, wenn die eigentlichen Gründer von der Bildfläche verschwunden sind, da diese ihrer Zeit um Jahre oder Jahrzehnte voraus waren. Dies kann an den fehlenden technischen Möglichkeiten liegen, aber auch daran, dass für ausreichende Nachfrage auf dem Markt neben dem Produkt meist noch weitere Faktoren zusammenkommen müssen, beispielsweise Gesetze oder gesellschaftliche Entwicklungen.

Langweilige Produkte, die sich rechnen?

Nicht immer müssen Produkte oder Dienstleistungen spektakulär sein, damit sie wirtschaftlich erfolgreich sein können. Fest steht allerdings auch, dass ein Unternehmen, welches nicht die Nöte und Wünsche seiner Kunden adressiert, wenig Erfolg haben wird. Dabei ist nicht immer die Konzentration auf eine besondere Kundenerfahrung erforderlich, um Geld zu verdienen. Vielmehr geht es darum, Trends zu erkennen, zu analysieren und zu prognostizieren, wo der nächste große Bedarf entstehen könnte. Diese Herangehensweise führt idealerweise dazu, dass man auf den nächsten großen Wachstumsmarkt setzt und so das Unternehmen in eine vorteilhafte Position für die Zukunft bringt.

Also nicht erst die geniale Idee und dann schlimmstenfalls zwei Jahrzehnte warten, bis der Bedarf entsteht, sondern der Blick aus der Vogelperspektive, der versucht, nicht einzelne Probleme, sondern ganze Marktlücken zu identifizieren. Das ist sicherlich weniger persönlich, kreativ, visionär und weniger von der unmittelbaren Kundenerfahrung getrieben. Und vor allem birgt diese Vorgehensweise das große Risiko, dass zwar Märkte identifiziert werden, aber ohne einen klaren Blick auf konkrete Kundenprobleme letztendlich Produkte entstehen, die vielleicht innovativ, aber nicht notwendigerweise nützlich sind, geschweige denn am Markt ankommen!

Worum es wirklich geht

Die Geschichte ist voll von technologischen Wunderwerken, die auf dem Markt keinen Anklang finden konnten, weil sie kein klares Kundenbedürfnis erfüllten. Ebenso stapeln sich in etablierten Unternehmen unzählige Analysen über Marktchancen, die niemals die Möglichkeit hatten, sich an der Wirklichkeit zu messen. Es liegt also nahe, dass beide Vorgehensweisen zumindest anteilig notwendig sind, um ein Startup nachhaltig zu etablieren. Vermutlich werden die Ergebnisse beider Wege sich zudem jeweils wieder auf den anderen auswirken, da es hohe Interdependenzen zwischen Kundenbedürfnis, Leistungsversprechen und Markt gibt.

Viel wichtiger für die Gründung und den Erfolg eines Unternehmens sind allerdings die Persönlichkeiten des Gründungsteams. Und diese fließen nahtlos in das eigene Vorgehen ein, so dass sich die Frage der Auswahl zwischen schwarz und weiß in der Realität nur selten stellt. Jeder Gründende tut gut daran, zu schauen, welche Vorgehensweise eigentlich bislang verfolgt wird. Dann gilt es in jedem Fall, ein Gegengewicht zu erreichen, um nicht das geniale Produkt am Markt vorbei zu gestalten oder für einen genialen Markt ein grottenschlechtes Produkt hervorzubringen.

Der Fokus auf Persönlichkeiten sollte sinnvollerweise auch bei der Zusammensetzung von Gründungsteams oder der Aufteilung von Rollen eingebracht werden: Je mehr Vielfalt im Team erreicht wird, um so leistungsfähiger ist das Team. Vorausgesetzt sind eine wirklich klare Zielsetzung sowie eine gute Abstimmung zwischen den verschiedenen Mitgliedern des Gründungsteams. Damit auch im dynamischen Alltag langfristig beide Wege – die Lösung von Kundenproblemen und die Analyse von Marktchancen berücksichtigt werden können.

 

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